Japanische Schärfe beim Deutschen Michel
Wer gerne und viel kocht, kennt das: Scharfe und handliche Kochmesser sind entscheidend dafür, dass Kochen auch dauerhaft Spaß macht. Die Messerform muss passen, denn verschiedene Anlässe erfordern unterschiedliche Klingen. Mit dem Schälmesser entbeinen? Nein, keine gute Idee. Wie sicher auch in anderen Haushalten finden sich bei uns Kneipchen in verschieden Klingenformen für den kleinen Einsatz, ordentlich scharf und handlich. Da freut sich die Schalotte. Die gibt es in guter Qualität für kleines Geld auf dem hiesigen Markt. Gemüsemesser aus deutsche Produktion mit genietetem Holzgriff, spezielle Messer zum Entbeinen und Küchenbeil etc. dürften in vielen Haushalten vorhanden sein. Aber selbst unsere deutschen Kochmesser, für die wir schon bereit waren, etwas auszugeben, sind trotz Wetzstahl und regelmäßiger Besuche beim Schärfer nicht wirklich lange scharf.
Mein eigenes Wa-Gyuto
Meine Erleuchtung diesbezüglich erlebte ich vor Jahren, als ich meinen Freund Stefan an seinem Wohnort in Rhode Island (USA) besuchte. Ein begnadeter Koch und Genießer, der während seines langen Aufenthaltes in den Staaten viele japanische Freunde gefunden hatte. Und die zeigten ihm – wie er dann auch mir – wahrlich scharfe, optimal austarierte Messer. Aus japanischer Produktion, traditionell mit verleimtem Holzgriff. Schon nach wenigen Einsatzminuten hatten mich diese ungewohnten Klingenformen überzeugt. Karotten wie Butter schneiden, Fisch enthäuten, Kräuter hacken, Orangen filetieren…so einfach und ohne großen Arbeitsaufwand habe ich das vorher nicht machen können. Klar, dass dann mein Wunsch war, selbst solche Messer zu besitzen. Es dauerte aber noch eine ganze Weile, bis es soweit war. Stefan, zwischenzeitlich nach Hawai’i gezogen, hatte sich ein neues Hobby zugelegt: Messegriffe für japanische Klingen herzustellen. Dabei kamen die besten Hölzer und andere überraschende Materialien dafür zum Einsatz. Natürlich musste ich meinen Freund auch im Aloha-State besuchen. Vor Ort stand dann aber erst einmal Arbeit auf dem Programm, die Inseln mussten warten. Unter fachkundiger Anleitung durfte ich meinen Messergriff schleifen, kleben, polieren und dann die Klinge für mein erstes Wa-Gyuto einkleben. Was für ein Gefühl.
Das Wa-Gyuto ist ein klassisches Kochmesser, geeignet für Fleisch, Fisch, Gemüse, Obst und zum Hacken von Kräutern. Knochen oder dicke Gräten mag es nicht. Meines ist beidseitig geschliffen und hat eine Klingenlänge von 200 mm. Ein echter Allrounder. Optimal austariert.
Schneiden und schleifen
Die Jahre vergingen, ich habe gelernt, mein Gyuto nass zu schleifen (Schleifsteine verschiedener Körnung bis hin zum Polierstein). Anleitungen dazu, wie der Schleifwinkel von 15-30 Grad zu verwirklichen ist und die richtige Art des Schleifens, gibt es viele gute im Internet. Wichtig ist immer nur, dass der Schleifstein richtig gewässert ist, der Winkel stimmt und man weiß, ob die Klinge einseitig oder beidseitig geschliffen ist. Was ich (wir) auch gelernt haben, ist der richtige Umgang mit diesen Messern. Zunächst habe ich Holzscheiden für die Klinge gekauft, damit sie nicht stumpf wird. Dann stellten wir schnell fest, dass mit rasiermesserscharfen Klingen behutsam umzugehen ist. Wir mussten zwar nicht ins Krankenhaus zur Notaufnahme, aber Heftpflaster und Verbandsmaterial hatten anfangs Hochkonjunktur. Schneiden wie ein Koch (Führung der Klinge über den Zeigefingerrücken) beugt blutigen Kochunterbrechungen vor.
Trauriger Neuzugang Sujhiki
Ich habe zwar meinen Freund Stefan noch einmal auf Hawai’i besucht, aber leider keine Messer mehr selbst gemacht. Er kam leider auch nicht mehr dazu. Ein guter Freund in Honolulu kümmerte sich um seinen Nachlass und bot an, für die Freunde Stefans die in dessen Werkstatt liegenden fertigen Messergriffe den entsprechenden Klingen zuzuordnen, die Klingen zu bestellen, alles zu montieren und uns zuzusenden. So hielt ich ich dann kurz vor Weihnachten 2020 mein letztes Andenken an Stefan in der Hand: ein Sujihiki.
Das Sujihiki ist beidseitig geschliffen und ist aufgrund seiner Länge und schmalen Form ideal zum Schneiden von Fisch und Fleisch, selbst in hauchdünne Scheiben. Beim Parieren von Fleisch oder Fisch, beim Filetieren von Fisch, beim Enthäuten ganzer Lachsseiten – das Sujihiki macht richtig Spaß. Aber auch hier eine Warnung: Keine Gräten oder Knochen. Dafür hat der japanische Koch eigene Messer.
Bislang bin ich mit diesen beiden japanischen Schneidwerkzeugen in Kombination mit dem restlichen Schneidewerkzeug gut ausgekommen. Aber vielleicht …